In den vergangenen Wochen hatten alle SPD Mitglieder die Gelegenheit, ihre Vorstellungen an eine neue Parteiführung sowie den Weg, der zu einer neuen Parteiführung führen soll, an den Parteivorstand zu übermitteln. Über 23336 Vorschläge eingegangen: die Basis der SPD lebt und will gehört werden! Über 23336 Mitglieder haben dabei die Gelegenheit genutzt und an der Umfrage teilgenommen. Dies zeigt, dass die Basis der SPD lebt, dass sie gehört und ernst genommen werden will.
Sicher hat die SPD auch bei den Mitgliederumfragen zur Beteiligung der SPD an den letzten beiden Großen Koalitionen deutlich gemacht, dass eine Legitimation des Handelns durch die Parteibasis eine wichtige Säule der innerparteilichen Demokratie ist.
Wichtige Beschlüsse, wie zum Beispiel die Debatte über den Einstieg in Koalitionsverhandlungen, fußten in der Vergangenheit häufig aber auch auf Parteitagsbeschlüssen, zu denen beispielsweise auch Bundestagsabgeordnete als Delegierte entsendet werden konnten. Deren Interesse zur Beteiligung an einer Großen Koalition war jedoch durchaus auch in persönlicher Hinsicht anders einzuschätzen, als das eines weiter außenstehenden Parteimitglieds.
Den neuerlichen Beschluss, genauer in die Breite und gleichzeitig auch in die Mitte der Partei hineinzuhören und festgefahrene Strukturen der Nachfolgebesetzung von wichtigen Parteifunktionen aus dem erweiterten Parteivorstand heraus aufzubrechen und die Mehrheitsmeinung der Mitglieder an die erste Stelle zu stellen, begrüßen wir als SPD im Stadtverband Coburg ausdrücklich.
Wie der Parteivorstand mitgeteilt hat, wird zukünftig auch die Möglichkeit einer Doppelspitze im Amt der Vorsitzenden bestehen. Die Möglichkeit über eine solche Konstellation an der Parteispitze zu diskutieren, begrüßen wir als SPD im Stadtverband Coburg, besteht so doch die Möglichkeit die anstehenden Lasten auf mehrere Schultern zu verteilen und das Verantwortungsgefühl innerhalb der Parteispitze zu intensivieren. Die Zeit, in der ein „Messias“ an der Spitze der SPD die Geschicke zur Zufriedenheit Aller leiten konnte, gehört der Vergangenheit an, wie der schmerzhafte Prozess der Wahl, der Amtsführung und des Rückzugs von Andrea Nahles einmal mehr aufgezeigt hat.
Dennoch ist eine Doppelspitze kein Allheilmittel. Der Erfolg einer Doppelspitze ist gekoppelt an vielfältige Voraussetzungen, wie z.B.: • Gelingt es den beiden möglichen Vorsitzenden die Interessen der linken und der konservativeren Flügel innerhalb der Volkspartei SPD ins Gleichgewicht zu bringen? • Kann eine Doppelspitze alle Himmelsrichtungen (Nord-Süd/ Ost-West) abbilden? • Wie verfahren wir mit der paritätischen Besetzung der Spitze? • Kann sich eine harmonische und gleichberechtigte Zusammenarbeit unter zwei Vorsitzenden einstellen? • Welche Vorstellungen an den Altersdurchschnitt der Doppelspitze haben wir? Frischzellenkur, Kontinuität oder Mittelweg?
Sich Gedanken über all diese Fragen zu machen ist legitim und gut. Als SPD im Stadtverband Coburg vertreten wir jedoch schon lange die Ansicht, dass eine Erneuerung der Partei nicht nur durch das Austauschen von Köpfen erfolgreich sein kann, sondern vielfältige Weichenstellungen von Nöten sind. Bereits frühzeitig haben wir uns kritisch gegenüber der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen, dem Eintritt in die Große Koalition und der Wahl von Andrea Nahles zur Parteivorsitzenden positioniert. Auf Initiative des Stadtverbands Coburg hin war Simone Lange zum einzigen Besuch innerhalb Bayerns im Vorfeld des Parteitags von Wiesbaden zu Gast, der Andrea Nahles zur Vorsitzenden kürte. Simone Lange steht für das, was wir uns für die Partei wünschen: Mut, Zuversicht und innere Überzeugung. Diese drei Eigenschaften sollte eine neue Parteiführung, ob mit einem Vorsitzenden, einer Vorsitzenden oder einer Doppelspitze, mit in die neue Zeit und in die Diskussion über die Halbzeitbilanz der Großen Koalition nehmen. Als Vorsitzender des SPD Stadtverbands Coburg fordere ich daher eine ehrliche Debatte über die Halbzeitbilanz der Großen Koalition. Sie ist Teil des Koalitionsvertrages und sollte daher einen hohen Stellenwert genießen, nicht mit einem Augenwischen „ad acta“ gelegt werden.
Ohne die Erfolge sozialdemokratischer Politik in der aktuellen GroKo vernachlässigen zu wollen, bleibe ich bei der Erkenntnis, dass die SPD den Beweis einen Unterschied auszumachen, nicht in der Zusammenarbeit auf Regierungsebene mit der CDU/CSU erbringen kann.
Dass deutliche Unterschiede vorhanden sind, macht sich beispielsweise in der Diskussion um die Einführung einer Grundrente deutlich, die die Lebensleistung der Menschen in den Mittelpunkt stellt und die Rentnerinnen und Rentner nicht zu Bittstellern erklärt. Weitere Unterschiede offenbaren sich darüber hinaus auch in der Diskussion um ein Klimaschutzgesetz und die Reform der Grundsteuer. Wir fordern: die Zeit der Großen Koalition muss beendet und ein echter politischer Diskurs unter den beiden großen politischen Lagern des Landes wiederhergestellt werden. Dies wäre ein Zugewinn für die Demokratie.
Stefan Sauerteig Vorsitzender SPD Stadtverband Coburg