Laut Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung vom 19. November 2014 hat das Bayerische Kabinett im Zuge der Reform des bayerischen Gymnasiums Details über die geplante „Mittelstufe Plus“ bekanntgegeben.
Damit rückt die Debatte um die Dauer der gymnasialen Laufbahn für die bayerischen Schülerinnen und Schüler, die ein Gymnasium besuchen, erneut in den Mittelpunkt der bildungspolitischen Diskussion.
Die SPD im Stadtverband Coburg begrüßt die Einsicht der Bayerischen Staatsregierung ausdrücklich, dringende Reformen am achtjährigen Gymnasium endlich zu vollziehen.
Mit der Verabschiedung des achtjährigen Gymnasiums zum Schuljahr 2004/2005 waren zahlreiche handwerkliche Fehler verbunden, deren Beseitigung nach nunmehr zehn Jahren längst überfällig ist. Die Überbelastung der Schülerinnen und Schüler zu beseitigen, mehr Raum für die Entfaltung der eigenen Interessen, Neigungen und Begabungen zu geben sowie die Zeit zur individuellen Verarbeitung des neuen Lernstoffes zu gewähren sind wesentliche Ziele, die die oberste Prämisse einer gelungenen gymnasialen Reform darstellen.
Ein „Flexijahr“ zur Vertiefung der Kernfächer soll ausreichen?
Laut Plan des Staatsministers für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst soll für die G9-Schülerinnen und Schüler nach der neunten Klasse ein Zusatzjahr eingeschoben werden, für das eine eigene Stundentafel gelten und die Schülerinnen und Schüler gegenüber den Mitschülerinnen und Mitschülern im G8-Regelzug entlasten soll. Mittels einer Verringerung der Fächer pro Schuljahr soll zudem mehr Zeit für die Kernfächer zur Verfügung stehen.
Die Pläne stellen lediglich einen „Tropfen auf den heißen Stein“ dar!
Was auf den ersten Blick als sinnvoller Maßnahmenkatalog wirkt, scheint sich bei genauerer Lektüre der Pläne der Staatsregierung lediglich als ein Tropfen auf den heißen Stein zu entpuppen, der die negativen Auswirkungen des G8 lediglich kaschieren soll.
Beschränkung des Zugangs zur „Mittelstufe Plus“
So soll die neu geschaffene „Mittelstufe Plus“ lediglich 25% aller Schülerinnen und Schüler offen stehen. Wollen zu viele Bewerber dieses Angebot wahrnehmen, müssten die Schulen unter Abwägung „pädagogischer Aspekte“ eine Auswahl treffen. Ein Rechtsanspruch auf einen Platz in der „Mittelstufe Plus“ solle nicht bestehen, berichtet die Süddeutsche Zeitung.
Kein zusätzliches Geld für Bildung
Fast schon selbstverständlich soll für die Umsetzung der Pläne zur „Mittelstufe Plus“ kein Geld investiert werden. Erst ab dem Jahr 2020/2021, wenn der erste Plusjahrgang in die zwölfte Klasse komme, wolle die bayerische Staatsregierung zusätzliches Geld in die gymnasiale Reform investieren.
Zweijährige Pilotphase ab 2015
Vor der endgültigen Einführung der „Mittelstufe Plus“ soll zudem eine zweijährige Pilotphase ab Herbst 2015 gestartet werden, in der „ausgewählte Schulen“ das Konzept erproben sollen. Wie viele Schulen an dem Projekt genau teilnehmen und welche Kriterien für die Auswahl der Schulen gelten, ist – mangels Transparenz - zurzeit nicht bekannt. Laut Süddeutscher Zeitung sollen circa 10% der bayerischen Gymnasien an der Pilotphase mitwirken. Dabei soll eine repräsentative Auswahl an Gymnasien aus Städten und Landkreisen zum Zuge kommen. Es ist jedoch zu erwarten, dass sich deutlich mehr ländliche als städtische Schulen zur Verfügung stellen werden, da sich diese durch den G9-Zug den Gewinn zusätzlicher Schülerinnen und Schüler versprechen könnten, wohingegen dieser Aspekt für städtische Schulen keine Rolle spielt. Zusätzlich fraglich wird die Durchführung einer Pilotphase, wenn man sich vor Augen hält, dass auch diese zweijährige Projektphase ohne zusätzliche finanzielle Mittel gestemmt werden soll.
Einmal mehr stellen wir also fest, dass die CSU-Alleinregierung wenig für Bildung übrig hat!
Die SPD im Stadtverband Coburg betrachtet Bildung als ein Grundrecht und den wichtigsten Rohstoff der Zukunft unserer Gesellschaft. Ohne sprudelnde Erdöl- oder Erdgasquellen sowie vergleichbare Naturreichtümer, muss es unser Ziel sein, das gesamte Potenzial der bayerischen Schülerinnen und Schüler zu entfalten, um auch in Zukunft dank innovativer Ideen die Konkurrenz mit aufstrebenden Märkten nicht scheuen zu müssen. Statt an der Verfolgung vielkritisierter Großprojekte, wie der PKW-Maut, und der Vertretung singulärer Interessen, wie dem Betreuungsgeld, mit aller Macht festzuhalten, fordert die SPD im Stadtverband Coburg die CSU Staatsregierung auf, endlich die nötigen Mittel zu einer umfassenden Bildungsreform bereitzustellen.
Dabei müssen aus Sicht der SPD folgende Aspekte berücksichtigt werden.
Alle an einen Tisch – SchülerInnen, Eltern, LehrerInnen und Verbände
Ein neues Konzept für das bayerische Gymnasium darf nicht weiter einseitig von der Staatsregierung vorgeschrieben werden. Das rege Interesse der Bürgerinnen und Bürger, das auch am Infostand des SPD Stadtverbandes am 20.09.2014 spürbar war, zeigt, dass alle Beteiligten am Bildungsprozess an der dringend notwendigen Überarbeitung des Gymnasiums beteiligt werden müssen.
Politik darf sich in der heutigen Zeit nicht als alleiniger Entscheider verstehen, vielmehr gehe es darum gemeinsam mit SchülerInnen, Eltern, LehrerInnen und den Berufsverbänden an einem Tisch zu klären, in welche Richtung sich das Bildungswesen und damit auch das Gymnasium entwickeln soll.
Forderung des 9-jährigen Gymnasiums als Regelform mit „Beschleunigungsmöglichkeiten“
Anders als die CSU Alleinregierung, deren Flexijahr lediglich den Versuch darstellt, die negativen Folgen des G8 zu kaschieren, fordern wir die Rückkehr zu einem grundsätzlich neunjährigen Gymnasium mit Beschleunigungsmöglichkeiten für besonders begabte Schülerinnen und Schüler.
Moderne Pädagogik mit selbstbestimmtem Lernen statt „Bulimie-Lernen“
Die Fülle des Lernstoffes, der innerhalb kurzer Zeit zu absolvieren sei, provoziert ein „Bulimie-Lernen“ seitens der Lernenden. Im Rahmen eines grundsätzlich achtjährigen Gymnasiums ist es kaum möglich, die nötige Zeit für ein nachhaltiges Aneignen von Wissen und für die selbstbestimmte Umwälzung des Lernstoffes zu gewähren. Dies jedoch sei in der heutigen Zeit oberste Prämisse in der pädagogischen Lehr-Lern-Debatte. Dem müsse auch das bayerische Gymnasium Rechnung tragen, denn das Bild des klassischen Paukers, der in einer 45-Minuten-Einheit das nötige Lernpensum monologisierend darlegt, ist längst ad acta gelegt.
Zeitgemäßer Lehrplan, vernetztes Lernen und flexible Stundentafeln
Ein zentrales Gegenargument zum bisherigen G8 stellen die eilig zusammengeschusterten Lehrpläne dar, die im Zuge des „PISA-Schocks“ bei der Einführung des achtjährigen Gymnasiums aufgelegt wurden. Für die SPD müsse der Lehrplan des Gymnasiums also insgesamt auf den Prüfstand. Inhaltlich zusammengehörende Themen müssen zeitlich miteinander verknüpft werden. Dafür müsse den Lehrerinnen und Lehrern jedoch auch mehr pädagogischer Freiraum zur Vernetzung der Lerninhalte gewährt werden.
Ziel des Gymnasiums muss die Studierfähigkeit sein
Das zentrale Ziel des Gymnasiums muss es weiterhin sein, die Studierfähigkeit der Schülerinnen und Schüler zu stärken. Hierfür ist es dringend notwendig, den bayerischen Gymnasiastinnen und Gymnasiasten in der Oberstufe mehr Zeit zur neigungsgerechten Einarbeitung in bestimmte Themen und Fächer zu gewähren. Ein vertieftes Allgemeinwissen sowie die Zeit zur intensiven politischen Bildung dürften nicht weiter unter der Kürzung der gymnasialen Laufbahn leiden.
Mehr Freiräume für musische, sportliche und außerschulische Aktivitäten
Ein neues Konzept für das Gymnasium muss dringend wieder mehr Freiräume für die altersgemäßen Interessen schaffen. Schülerinnen und Schüler haben ein Recht auf die individuelle Entfaltung der Persönlichkeit, ihrer Interessen und Neigungen, die sich vor allem in der außerschulischen Freizeit optimal entfalten könnten.
Stefan Sauerteig
Vorsitzender SPD Stadtverband Coburg