Die jüngsten Aussagen IHK zu Coburg infolge einer an der IHK-Vollversammlung verabschiedeten Resolution, mit welcher Kritik an der geplanten Erbschaftssteuerreform geübt wird (CT-Bericht vom 12.09.2015), können seitens der Jusos im Stadtverband Coburg nicht ansatzweise nachvollzogen werden.
Es mag in der Natur der Sache liegen, dass Unternehmensinteressenvertreter Änderungen an der Steuergesetzgebung immer dann als besonders unangenehmen empfinden und lautstark Kritik üben, wenn die Änderungen deutlich hinter den eigenen Erwartungen zurückbleiben, also insbesondere dann wenn es zu einer vermeintlichen Erhöhung der Steuerlast kommen wird.
Erinnert werden muss an dieser Stelle aber insbesondere daran, dass eine Neuregelung aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 17.Dezember 2014 erfolgen muss, nachdem Teile der bisherigen Regelungen in Bezug auf die Bevorzugung von Betriebsvermögen verfassungswidrig sind, da Unternehmererben hier zum Teil unverhältnismäßig bevorzugt wurden.
Hierüber wird seitens der IHK zu Coburg abermals dreist kein Wort verloren.
Die Art und Weise wie nun seitens der IHK zu Coburg wiederholt darauf hingewiesen wird, dass die geplante Erbschaftssteuerreform zu einer Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland und zu einer systemwidrigen Doppelbesteuerung führen wird, kann vor dem Hintergrund jüngster Veröffentlichungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, aus welchen hervorgeht, dass die reichsten ein Prozent der Haushalte in Deutschland 33 Prozent des Vermögens besitzen, nur als aberwitzig bezeichnet werden.
Ratsam wäre hier wohl eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil, insbesondere der Urteilsergänzung der Richter Gaier und Masing sowie der Richterin Baer und der gelebten Praxis bei Unternehmensübergaben.
"Die Erbschaftsteuer dient nicht nur der Erzielung von Steuereinnahmen, sondern ist zugleich ein Instrument des Sozialstaats, um zu verhindern, dass Reichtum in der Folge der Generationen in den Händen weniger kumuliert und allein aufgrund von Herkunft oder persönlicher Verbundenheit unverhältnismäßig anwächst. Dass hier auch in Blick auf die gesellschaftliche Wirklichkeit eine Herausforderung liegt, zeigt die Entwicklung der tatsächlichen Vermögensverteilung. Verwies schon Böckenförde in seinem Sondervotum zur Vermögensteuer für das Jahr 1993 darauf, dass 18,4 % der privaten Haushalte über 60 % des gesamten Nettogeldvermögens verfügten, lag dieser Anteil bereits im Jahr 2007 in den Händen von nur noch 10 %. Die Schaffung eines Ausgleichs sich sonst verfestigender Ungleichheiten liegt in der Verantwortung der Politik nicht aber in ihrem Belieben. Wie der Senat schon für die Gleichheitsprüfung betont, belässt die Verfassung dem Gesetzgeber dabei einen weiten Spielraum. Aufgrund seiner Bindung an Art. 20 Abs. 1 GG ist er aber besonderen Rechtfertigungsanforderungen unterworfen, je mehr von dieser Belastung jene ausgenommen werden, die unter marktwirtschaftlichen Bedingungen leistungsfähiger sind als andere. (…)“ (Sondervotum zum Urteil vom 17.12.2014)
Gerade vor diesem Hintergrund erweist sich der Gesetzentwurf über die Neuregelung der Erbschaftssteuer - bei Gesamtbetrachtung – aus unserer Sicht allenfalls als tolerabler Kompromiss in Zeiten der Großen Koalition.
Denn auch dieser Gesetzesentwurf enthält trotz der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zahlreiche Privilegien, die zu einer nur schwer erklärlichen steuerlichen Vorzugsbehandlung von Unternehmensvermögen im Erbfall führen wird.
Vollkommen inakzeptabel erweist sich unserer Meinung nach insbesondere die auf Drängen der Union und der Unternehmerverbände vorgesehene Regelung, dass die Steuerpflicht zumindest in Teilen davon abhängig sein soll, ob der/die Erbende gerade „flüssige Mittel“ verfügbar hat.
Aber gerade dies soll nach dem vorliegenden Gesetzesentwurf eintreten. Bei Vererbung oder Schenkung von Betriebsvermögen im Wert von über 26 Millionen Euro (bei Familienunternehmen 52 Millionen Euro) soll es zur Verschonung von der Erbschaftsteuer führen, wenn vereinfacht ausgedrückt die Hälfte der frei verfügbaren Mittel nicht ausreicht, um die angefallene Erbschaftssteuer zu begleichen.
Man stelle sich vor, ein solcher Grundsatz würde auch im Lohnsteuerrecht Fuß fassen. Jeder Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin, die von einer Steuernachzahlung betroffen wäre und nicht über sowieso schon zu verschonendes Millionenvermögen verfügt, würde dies sicher begrüßen.
Vor dem Hintergrund, dass bei Unternehmensfortführungen bekanntermaßen die gut vorbereitete, steueroptimierte Schenkung die Regel ist, wird es für Unternehmerfamilien ein leichtes sein, die entsprechenden Voraussetzungen für diese Privilegierung zu schaffen.
„Paradebeispiel“ dürfte hier sicherlich die BMW-Dynastie Quandt sein. Nach Informationen des Nachrichtenmagazin Focus (Bericht vom 06.08.2015) betrug das vererbte Aktienvermögen zum Tod der Johanna Quandt im Jahre 2014 ca. 9,3 Mrd. Euro. Aufgrund von frühzeitig vorgenommenen Vermögensverlagerungen an die Kinder waren jedoch lediglich 0,4 Prozent des zu vererbenden Vermögens erbschaftssteuerpflichtig, was wohl zu einer Steuerersparnis bei den Erben von 2 Mrd. Euro geführt haben soll. Eines der Kinder jammerte doch übrigens jüngst tatsächlich öffentlich darüber, dass es so viel Vermögen habe, dass es diese nicht ansatzweise ausgeben könne.
Als praktikablen, verfassungskonformen Weg sehen wir im Fall der fehlenden liquiden Mittel zur Begleichung der angefallenen Erbschaftssteuer großzügige Stundungsregelungen an, denn natürlich darf die Erbschaftsbesteuerung auch nach unserem Empfinden nicht dazu führen, dass vererbten Unternehmen die Luft zum atmen vollends abgeschnürt wird.
Steuerprivilegien im Sinne eines Verzichts auf Besteuerung für Vermögende und extrem Vermögende sind aber vor dem Hintergrund der fehlenden Verteilungsgerechtigkeit in Deutschland sicher nicht gerechtfertigt, wenn nicht gar verfassungswidrig.
Auch sehen wir durchaus die Notwendigkeit Ausnahmen für Familienunternehmererben dann zu gewähren, wenn diese nach dem Gesellschaftsvertrag „gezwungen“ sind Gewinne zu reinvestieren oder Gesellschaftsanteile nur an weitere Familiengesellschafter zu veräußern. Damit wäre dann auch den zahlreichen Familienunternehmen der Region entgegengekommen. Denn auch hier sollte die anfallende Erbschaftssteuer nicht dazu führen, dass gut familiengeführte Unternehmen in die Hände von rein nach Profit strebenden Beteiligungsgesellschaften fallen.
Nicht akzeptieren können wir jungen Sozialdemokrat*innen jedoch, dass Herkunft auch im 21. Jahrhundert noch massiv auf Bildungswege und Lebenschancen einwirkt.
Gerade hier wäre jedoch eine gerechte Erbschaftsbesteuerung ein geeignetes Instrument um dringend notwendige Investitionen in unsere Bildungslandschaft gegenzufinanzieren. Das darf auch seitens der Unternehmensverbände bei der Diskussion um die Erbschaftssteuerreform nicht verkannt werden. Schließlich profitieren dann auch wieder die Mitgliedsunternehmen von qualifizierten jungen Menschen.
Aber plakativ ausgedrückt: Wer sägt schon gerne an seinem eigenen Stuhl? Da ist es eben doch einfacher den „Status Quo“ durch Verhinderung einer ansatzweisen Verteilungsgerechtigkeit zu zementieren.
Dominik Sauerteig Vorsitzender Jusos Stadtverband Coburg