Stadtratsfraktion: Die „lebendige Innenstadt“ mit allen ihren Facetten als wichtiges Ziel sozialdemokratischer Kommunalpolitik

26. November 2016

Die Fraktionsvorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion Petra Schneider äußért sich in einem Interview mit Wolfgang Braunschmidt (Neue Presse) zur"lebendigen Innenstadt" als wichtiges Ziel sozialdemokratischer Politik in der Stadt Coburg.

Frau Schneider, Sie sind seit Ende Juni Vorsitzende der SPD-Fraktion im Coburger Stadtrat. Was ist in Ihren Augen das wichtigste Thema für die Vestestadt?

Petra Schneider: Die „lebendige Innenstadt“ mit allen ihren Facetten.

Geht es bitte etwas konkreter?

Wir müssen dafür sorgen, dass Menschen sich nicht nur in der Innenstadt aufhalten, sondern dort wirklich leben können: dass sie bezahlbare Wohnungen finden, dass sie dort einkaufen können, dass Kinder- und Seniorenbetreuung gewährleistet ist, dass es Schulen sowie ein gastronomisches und kulturelles Angebot gibt. Eben alles das, was eine Stadt ausmacht.

Nun gibt es in der Coburger Innenstadt relativ viele leer stehende Wohnungen, insbesondere in den oberen Geschossen der Häuser.

Um das zu ändern, haben wir ergründet, wie viele Wohnungen in der Innenstadt nicht genutzt sind. Daraufhin haben wir Kontakt mit den Hauseigentümern gesucht und erfahren, dass Sanierungs- und Ausbaupläne in erster Linie an den finanziellen Möglichkeiten scheitern.

Deshalb hat die Stadt ein Förderprogramm aufgelegt…

…das noch besser angenommen werden könnte. Es bleibt das Problem, dass es offenbar nicht wenigen Immobilienbesitzern reicht, wenn sie das Erdgeschoss ihres Hauses als Laden o.ä. verpachtet haben.

Was tun?

Sicher nicht, alle Häuser zu verkaufen, die der Stadt gehören, wie es die CSB jetzt fordern. Ich sehe hier die Notwendigkeit, dass Stadtverwaltung und Stadtrat mit der städtischen Wohnbau prüfen, welche Gebäude für die Stadtentwicklung wichtig sind und welche wir in unserem Eigentum halten müssen.

Aber die Wohnbau kann doch nicht alle Häuser der Stadt übernehmen.

Stimmt!

Wie bekommt man dann Menschen in die Obergeschosse, deren Leerstand Sie bedauern?

Indem der Eigentümer eines solchen Gebäudes keine Luxuswohnungen schafft, sondern einen einfacheren und somit für ihn und auch den späteren Mieter bezahlbaren Standard wählt. Das kostet weniger Geld, könnte aber voraussetzen, dass z.B. in Sachen Denkmalschutzauflagen Kompromisse ermöglicht werden.

Bietet die Stadt dafür eine Beratung an?

Ja! Für die Sanierungsgebiete, in denen das Förderprogramm gilt, koordiniert die städtische Wohnbau diese Aufgabe. Dafür steht ein beratender Architekt bereit. Man muss sich nur bei der Wohnbau melden und einen Termin vereinbaren.

Wissen die Hauseigentümer um dieses Angebot?

Ja, die Stadt hat alle angeschrieben und sie über das Förderprogramm informiert. Sicher gibt es Immobilienbesitzer, die darauf nicht reagieren. Davon dürfen wir uns aber nicht entmutigen lassen. Wir müssen an dem Thema dran bleiben.

Gehen Sie so weit, dass die Informationspolitik der Stadt auf diesem Feld ein gelungenes Beispiel für Transparenz und Bürgernähe ist?

Da sind wir auf einem guten Weg, bisherige Strukturen aufzubrechen. Es hat doch keinen Sinn, dass wir im Stadtrat eine Entscheidung treffen und darauf warten, dass schon jemand zufällig den Weg ins Rathaus, in das Ämtergebäude oder zur Wohnbau finden wird. Da müssen wir selbst aktiv werden, um diese Informationen nach außen zu geben – und zwar über alle Kanäle, die heute für Kommunikation zur Verfügung stehen. Das schafft nicht nur Wissen, das verhindert auch Frust und Ärger.

Wie beim Plan, das Diakonisch-Soziale Zentrum in der Leopoldstraße zu einer Wohnanlage umzubauen? Da drang ja erst einmal nichts an die Anwohner, geschweige denn in die breite Öffentlichkeit.

Das darf nicht mehr passieren. Es geht auch nicht darum, erst zu informieren, wenn im Stadtrat Entscheidungen getroffen worden sind. Man muss Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben, dass sie an öffentlichen Beratungen teilnehmen können. Wenn es um Grundstücksfragen geht, die grundsätzlich nicht öffentlich behandelt werden müssen, dann muss man die Entscheidungsfindung eben umdrehen. Dann tagt nicht zuerst der Bau- und Umweltsenat, sondern der Finanzsenat. Der entscheidet, ob z.B. ein Grundstücksverkauf überhaupt infrage kommt, und dann geht es im Bau- und Umweltsenat in die Phase, welche Bebauung möglich sein soll – natürlich in einer öffentlichen Sitzung: offen für Bürgerinnen und Bürger, bevor ein Beschluss fällt. Dann wissen die Leute, was kommt. Wenn sie das Informations- und Diskussionsangebot nicht annehmen, dann ist das ihre Entscheidung.

Man kann Informationspolitik aber sehr offen betreiben und Bürger dazu einladen.

Das tut die SPD-Stadtratsfraktion im Büro SPRECHPUNKT. in der Steingasse fast direkt am Marktplatz. Jedermann kann jeden Samstag zwischen 11 und 13 Uhr zu uns kommen und Themen vortragen, die ihn bewegen. Gleichzeitig bieten wir Informationen an. Dahinter steckt unsere Überzeugung, dass den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit gegeben werden muss, sich vor Stadtratsbeschlüssen in den Entscheidungsfindungsprozess einzubringen. Das hat sich beispielsweise beim Güterbahnhof bewährt, wozu der erste Anstoß von der SPD kam, dazu einen Beirat einzurichten, in dem Vertreter aller Beteiligten sitzen. Das bewährt sich weiter in den Arbeitsgruppen, die Oberbürgermeister Norbert Tessmer eingeführt hat, das gibt es für die Übergangsspielstätte und wird es für die Generalsanierung des Landestheaters geben. Das kostet einen Stadtrat viel Zeit, ist aber wichtig und notwendig – auch bei kleinen Projekten. Wir müssen unsere Bürgerinnen und Bürger mitnehmen.

Gehört zur „lebendigen Innenstadt“ auch der Seniorencampus, den der Regiomed-Klinikverbund an der Hauptpost plant? Der Kaufhof-Geschäftsführung war zugesagt worden, dass dort Einzelhandel entsteht mit der Anbindung an die Fußgängerzone im Steinweg.

Ich bin nicht der Meinung, dass eine Innenstadt ausschließlich dann attraktiv ist, wenn der Einzelhandel gut funktioniert. Das Regiomed-Projekt bringt Menschen in das Zentrum von Coburg. Es kann mir niemand erzählen, dass der Kaufhof und andere Einzelhändler damit nicht zufrieden wären, wenn viel mehr Menschen als bisher in ihrer Nachbarschaft wohnen. Außerdem haben wir die Chance, den Seniorencampus bis in den Steinweg hochzuziehen. Gerade für die Steinwegvorstadt bedeutet das eine einmalige Chance. Etwas Besseres kann uns doch gar nicht passieren.

Und was ist mit jungen Menschen und ihren Kindern?

An diesem Beispiel kann man gut erklären, was Stadtentwicklung leisten muss. Wenn ich in einem Stadtviertel eine Grundschule habe und saniere daneben Wohnungen, dann muss ich dafür sorgen, dass dort junge Familien einziehen können, damit die Grundschule ihre Berechtigung behält. Sie wissen, dass in der Vergangenheit Diskussionen über die Lutherschule am Albertsplatz geführt wurden. Heute sind wir da auf dem richtigen Weg und planen sogar ein Bildungshaus. Daran erkennt man sehr schön, dass es keinen Sinn macht, Projekte einzeln zu betrachten und umsetzen zu wollen, wenn es um Innenstadtentwicklung geht. Man muss das Ganze sehen, muss erkennen, dass das eine vom anderen abhängt. Die Überarbeitung des Parkraumkonzepts für Coburg, das der Stadtrat in Auftrag gegeben hat, beschäftigt sich mit Verkehren, weiteren Parkhäusern etc in der Innenstadt. Verkehr wirkt sich auf den Kohlendioxid-Ausstoß aus. Dieser ist, wie wir jüngst von unserem Klimaschutzbeauftragten Wolfgang Weiß gehört haben, auch in Coburg im Bereich Verkehr sehr hoch. Ich kann also nicht sagen, ich lasse in der Stadt mehr Verkehr zu, der den Abgasausstoß drastisch erhöht, und beklage gleichzeitig, dass die Luft in Coburg so schlecht ist. Verantwortungsvolle Stadtpolitik hat beides im Blick.

Und daraus schlussfolgern Sie?

Es muss gute Gründe geben, sein Lebensumfeld in die Innenstadt zu verlegen: lebendige Innenstadt, bezahlbarer Wohnraum für alle, Solidarität mit sozial Benachteiligten, Bildungschancen, Kultur, Transparenz und Bürgerbeteiligung. Diese sieben Punkte beschreiben das „Projekt Coburg“ der SPD-Stadtratsfraktion.

Das Gespräch führte Wolfgang Braunschmidt (Neue Presse Coburg)

Teilen