Unser Fraktionsmitglied Can Aydin zum Haushalt 2022

03. Februar 2022

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen.

Der vorliegende Haushaltsentwurf für das Jahr 2022 ist kein Sparhaushalt. Er ist erneut ein gestaltender Haushalt, der einer klaren Zielrichtung der Stadtverwaltung folgt. Der Zielrichtung für unsere Bürgerinnen und Bürger, erneut viel bewegen zu können.

Auch in gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich schwieriger Zeit kann konstatiert werden: Coburg ist weiterhin finanziell in einer guten Situation.

Ich möchte Sie nicht mit Kleinklein langweilen. Gestatten Sie mir einige Anmerkungen aus persönlicher Sicht. Nachdenklich und optimistisch.

  • Coburg rangiert, was die Finanzkraft je Einwohner angeht, mit Abstand - vor München und Schweinfurt an der Spitze der kreisfreien Städte.
  • Wer „Coburg“ in der Tabelle der Empfänger von Schlüsselzuweisungen sucht, wird nichts finden. München, Erlangen und Coburg sind die drei kreisfreien Städte in Bayern, die keinen kommunalen Finanzausgleich erhalten.
  • In unserer Stadt haben wir einen - aus meiner Sicht einen weiteren, unterscheidenden Vorteil:Unsere Unternehmen befinden sich in der Hand der Mitglieder eines Vereins oder in Familienbesitz.

Diese Konstellationen verschaffen uns hier, der Stadtverwaltung und den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt, Dank der gelebten Standorttreue ein stattliches Maß an Stabilität und Planungssicherheit und manchmal das sag ich durchaus nachdenklich, auch einen erhöhten Diskussionsbedarf mit zum Teil unsachlicher Argumentation.

Als junges Mitglied des Coburger Stadtrates würde ich mir hier einen anderen Weg der Diskussionskultur wünschen. Denn selbst bei Unterschieden im Weg eint uns alle, die für Coburg brennen, das Ziel nach mehr Lebensqualität in unserer Heimat. • Wir, die Stadt Coburg, sind in der bayerischen kommunalen Familie ein bisschen anders, eine Ausnahme, ein besonderer Fall. UNS geht es mit Blick auf die Liquidität blendend. Wir können unsere freiwilligen Leistungen, wie bspw. die Sportförderung erhöhen oder ein Ortsteilbudget ins Leben rufen.

Wer die Gnade der Geburt in einer einzigartigen Stadt wie Coburg hat, wer die Möglichkeit hat, sich eine solche Stadt als Lebensmittelpunkt zu wählen, dem steht definitiv ein Mehr an Lebensqualität zur Verfügung. Soviel zum Optimismus. Trotzdem - oder gerade deswegen – meine ich auch nachdenklich sein zu dürfen, ja zu müssen.

Wir sollten uns einige Dinge vergegenwärtigen und bei unserem Tun berücksichtigen. - Die Schere zwischen „armen“ und „reichen“ Kommunen geht, so ist es in Veröffentlichungen, insbesondere in denen der kommunalen Verbände nachzulesen, immer weiter auseinander.

  • Mancherorts stehen Schwimmbäder auf den Sparlisten, wird über Gebührenerhöhung sinniert und diskutiert und das Schrauben an der Gewerbsteuer treibt muntere Blüten. Pflichtaufgaben stehen auf der Kippe, freiwillige Leistungen entschwinden in unerreichbare Entfernungen.
  • Es gibt Gemeinden, bei denen sind die Gewerbesteuereinnahmen - trotz Corona - ungebrochen hoch. Andere stehen vor dem Problem, Gewerbesteuervorauszahlungen zurückzahlen zu müssen - von einem Geld, das sie nicht haben.
  • Einer jüngeren Auswertung des wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler- Stiftung zufolge, ist zudem eine herausragende Stellung der Bürgerinnen und Bürger der kreisfreien Stadt Coburg zu entnehmen. „Nur“ - was ich immer noch für unangemessen hoch erachte … nur knapp 15% der Coburgerinnen und Coburger, die einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen, gelten als „Geringverdiener. Sie erhalten aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis weniger als € 2.284,- … BRUTTO. Im Landkreis Coburg sind es schon 27 %, in Lichtenfels und Kronach sind es jeweils rund 25 %.

Höchst bedenklich werden die Werte in den nördlich angrenzenden Landkreisen Hildburghausen und Sonneberg. Hier fallen 36 bzw. 38 % der Beschäftigten unter die „Geringverdiener“. Das 2,5- fache von Coburg! Von „gleichwertigen Lebensverhältnissen“ in Bayern kann, angesichts solcher Differenzen, meiner Überzeugung nach definitiv nicht gesprochen werden.

Solche Differenzen wecken Neid und Missgunst. Sie können das Substrat für den Nährboden uns treffender, unangenehmer Veränderungen sein. In einem Papier der FDP, die bekanntlich den Bundesfinanzminister stellt, heißt es beispielsweise: „Unser Ziel ist es, im Zuge der angestrebten Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung in Europa den deutschen Sonderweg der Gewerbesteuer zu beenden“.

Was dieses Damoklesschwert mit sich bringen wird, wabert noch im europa- und bundespolitischen Nebel. Es gibt aber auch andere Gründe, die finanziell nachteilige Veränderungen mit sich bringen könnten. Die Gewerbesteuer ist - trotz unserer „besonderen“ Konstellationen - kein unerschöpflicher Quell für den stadtratlichen Wünschebaum. Sie kann, ungeachtet Lindner’scher Kreativität, schlichtweg auch einbrechen.

Bei unseren Investitionsplanungen wurde jahrelang immer und immer wieder orakelt, dass es am Ende des jeweiligen Planungszeitraumes mit den Zahlen in den Keller gehen wird. Es war - bislang - immer das Gegenteil der Fall.

Beim nächsten, spätestens jedoch bei den dann folgenden Planungszeiträumen könnte es jedoch tatsächlich Ernst werden. Dann werden die „großen Brocken“, die großen Investitionen wie Landestheater oder Klinikum zu wuppen sein. Planung hin, Planung her; abgerechnet wird zum Schluss. Und wie diese Rechnung ausschauen wird - wir wissen es schlichtweg nicht. Wir wissen nicht, was im Zuge dieser massigen Projekte aus dem Dunkel der Unwägbarkeiten auftaucht. Ich möchte mit dieser Bemerkung, mit diesen Gedanken keineswegs die Depressionsfahne schwenken. Es sind schlichtweg noch mehr Umsicht, Vorsicht und Präzision geboten.

Dass wir mit unserem Klinikum - gerade in dieser Pandemie - exzellent gefahren sind zeigt, von welch fundamentaler Bedeutung ein leistungsstarkes Krankenhaus in kommunaler Trägerschaft ist. Ein Klinikum, das dem Gemeinwohl und nicht dem Gewinnstreben eines Inhabers dient. Genau deshalb MÜSSEN wir den Weg mit unserem neuen Klinikum gehen.

Unser Produkt, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist unsere Stadt. Es ist unser Beitrag zum Leben unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger. Uns muss daran liegen, uns muss es gelingen, dass Menschen und Unternehmen weiterhin Lust auf Coburg haben. Menschen müssen weiterhin gerne in Coburg leben, Unternehmen müssen weiterhin gerne in unserer Mitte sein. Hierzu MÜSSEN wir - neben den neuen, den „dicken Brocken“ - weiterhin und unverändert in die Bildung, in Schulen, in die Digitalisierung, in bezahlbaren Wohnraum und in die Innenstadtsanierung investieren.

Wer sich solcher Projekte annimmt, braucht Personal. Wer die Zukunftsaufgaben unserer Stadt anpacken und bewältigen will, braucht Personal. Wir werden in Zukunft die Diskussion führen müssen: wieviel Personal ist erforderlich, um die anstehenden Arbeiten zu schaffen und welche Aufgaben hat die Stadt zu lösen, um ein, kulturelles und soziales Leben zukunftsfähig und nachhaltig gestalten zu können?

Vor diesem Hintergrund ist zielgerichtet - nicht im abstrakten Bereich - die Kostendiskussion im Personalbereich zu führen. Ohne Tabus. Immer im Blick, dass die Stadtgesellschaft einen Anspruch auf schnelles, ziel- und sachgerechtes und dabei stets kostenbewusstes Verwaltungshandeln hat. Eng verbunden mit solchen Personaldiskussionen sind selbstredend auch die notwendigen und wünschenswerten Maßnahmen im Rahmen unserer Digitalisierungsbestrebungen, bei denen uns - meiner Fraktion - am Herzen liegt, solches nicht zu Lasten, nicht zum individuellen Nachteil unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchzusetzen.

Lassen Sie mich zum Ende hin noch kurz auf das wichtige Thema „Klima“ kommen. Seit Jahrzehnten wird über das Klima, den Klimaschutz und die Notwendigkeiten hierfür geredet. Bedauerlicherweise ist der Fingerzeig auf den anderen, „er möge doch etwas tun“ immer noch weit eine verbreitete Ausrede, sich vor dem eigenen, aktiven Tun in diese Richtung zu drücken. Nicht in Coburg. Wir haben Maßnahmen ergriffen und finanzieren sie. Maßnahmen, die Geld kosten. Maßnahmen, um unseren Beitrag zum kommunalen und bürgerlichen Klimaschutz zu leisten. Man kann über „mehr Grün“ oder die E-Mobilität trefflichst streiten: die Meinungen, dass solches zumindest ein anständiger Anfang ist, gewinnen die Überhand. Ich meine, hier Sigmar Gabriel folgen zu können: „Wir sind reich genug, uns Klimaschutz zu leisten.“

Zum Abschluss, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, gilt mein Dank dem gesamten Team der Kämmerei mit Frau Regina Eberwein und ihrem Vertreter, Herrn Martin Lieb an der Spitze. Danke für die erneute eindrucksvolle Bewältigung der jährlichen Mammutaufgabe der Haushaltsaufstellung. Es ist heute, liebe Frau Eberwein, noch kein Tag des Abschiedes. Es ist „nur“ IHR letzter, der letzte von IHNEN verantwortete Haushalt. Sie waren ein Glücksfall für uns, für unsere Stadt. Als kleines Zeichen unserer Wertschätzung und Dank darf ich Ihnen, im Namen der Mitglieder unserer Fraktion, ein „tragbares“ Dankeschön überreichen.

Ich bitte sie nun, verehrte Kolleginnen und Kollegen, um Zustimmung für den vorliegenden Haushalt. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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